„Wirtschaft ist 50 Prozent Psychologie“, sagte der legendäre deutsche Wirtschaftsminister der Adenauer-Ära, Ludwig Erhard. Und dieses Bonmot gilt noch heute. Die konjunkturelle Entwicklung der Volkswirtschaften in der Eurozone hat sich um Vorjahr verlangsamt und verliert auch heuer weiter etwas an Schwung.
„Doch das erste Quartal 2019 zeigt eine bemerkenswerte Stabilität“, sagt Helmut Rödl, Chef des Wirtschaftsinformationsdienstleisters Creditreform. „Wir haben erfreulicherweise eine stabile Einkommenssituation der Verbraucher und der Binnenkonsum federt die Rückgänge beim Export ab.“
Trotzdem sind die westeuropäischen Unternehmen anfällig für „negative Einflüsse“. So sind die Insolvenzen in Westeuropa leicht gestiegen, alleine auf den Handel entfallen 32 Prozent aller 165.000 Pleiten.
Kleine Händler verschwinden
„Hier spielt der Onlinehandel eine große Rolle“, sagt Rödl. „Es kommt zu einer Umstrukturierung, die kleinen Händler verschwinden und es wird auch direkt beim Hersteller gekauft.“ Damit schaut auch der Großhandel durch die Finger.
Während in Frankreich, Großbritannien und in den Beneluxländern die Pleiten zulegen, gehen sie in Deutschland und Österreich zurück. Österreich ist aber bei fast allen Parametern einen Tick besser als der große Nachbar.
Psychologische Unterschiede
„Ich glaube, dabei handelt es sich um psychologische Unterschiede. Die österreichische Wirtschaft ist in einer sehr guten Verfassung. Wir haben in unserem Rating Österreich besser bewertet als Deutschland“, sagt der Ökonom. „Ich denke, die deutschen Unternehmer sind oft ängstlicher statt zu sagen, wir probieren jetzt einmal etwas.“ Nachsatz: „Die Kreativität der Österreicher bei Investments ist ausgeprägter als die der Deutschen.“
Indien statt China
Apropos Exporte: Der chinesische Markt wird immer wichtiger. „Ich sehe die dringende Notwendigkeit, dass man den Handel mit China forciert und in Seidenstraßen-Häfen investiert“, sagt Rödl. „Aber man muss aufpassen, dass man dabei nicht untergeht. Der Kauf europäischer Schlüsseltechnologien durch China ist ein Problem. Man sollte das mit offenen Augen betrachten und nicht blind ins Verderben schlittern.“ Von einer Abschottungspolitik hat der Uni-Professor aber nichts.
„Zugleich sollte man sich überlegen, ob man nicht auf Investoren setzt, die mit China konkurrieren“, sagt Rödl. „Die Europäer vernachlässigen den großen Markt Indien und auch mit Russland muss man vernünftige Handelsgespräche führen.“ So soll in Indien laut Regierung bis 2030 jeder zweite Bürger ein Auto fahren. Indien hat 1,34 Milliarden Einwohner, China 1,39 Milliarden.
Brexit ist bereits eingepreist
Indes sind die Auswirkungen des Brexits bereits eingepreist. „Ich gehe auch davon aus, dass wir eine einigermaßen erträgliche Zusammenarbeit haben werden“, sagt der Ökonom. „Großbritanniens Politik wird an einer rationalen vernünftigen Lösung nicht vorbeikommen.“