STUDIE
Alexandra U. arbeitet seit 19 Jahren im Krankenpflegedienst. Durch das häufige Heben von zum Teil doch eher schwergewichtigen Patientinnen und Patienten sind ihr Rücken und auch die Schultergelenke zwischenzeitlich schwer in Mitleidenschaft gezogen. Kreuzschmerzen sind ihr ständiger Begleiter. Dazu kommen familienfeindliche Arbeitszeiten, massiver Stress, wenig kooperative Patienten und mobbende Kollegen. Eine unbedachte Bewegung hätte ihr zu ihrem 38. Geburtstag im vergangenen Herbst beinahe einen Bandscheibenvorfall beschert. Seither ist sie in Physiotherapie und absolviert darüber hinaus ihr tägliches Rückentraining.
Schicksale wie das von Alexandra U. füllen die Ordner der arbeitsmedizinischen Zentren. Dort weiß man auch, dass Frau U. als diplomierte Krankenschwester quasi noch glimpflich davongekommen ist, denn weiter unten in der Rangordnung der Pflegeberufe herrschen oftmals ganz andere Arbeitsbedingungen. Vor allem Heimhelfer leiden unter massiven gesundheitlichen Schäden. Welche Haltungen und Techniken beim Heben von Patienten anzuwenden sind, wurde ihnen während ihrer Ausbildung oftmals nur ungenau erklärt, technische Hilfsgeräte wie Pflegebetten oder Hebe- und Aufstehhilfen sind in privaten Haushalten Mangelware.
2,8 Milliarden Euro Schaden
Wie krank Arbeit mitunter machen kann und welche finanziellen Schäden das volkswirtschaftlich bedeutet, hat das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) im Auftrag der Arbeiterkammer Österreich (AK) erhoben. Beachtliche 2,8 Mrd. Euro, so heißt es in der Studie, fallen hierzulande Jahr für Jahr einzig und alleine deshalb an, weil Menschen in einem mitunter schwer gesundheitsschädigenden Klima ihrem Broterwerb nachkommen müssen.
Durch eine spezielle Methodik der Studie ist es nun erstmals für Österreich möglich, jene Anteile am Krankenstandsgeschehen zu identifizieren, die mit ganz bestimmten Arbeitsbedingungen in Zusammenhang stehen. Dadurch kann auch aufgezeigt werden, welche Kosten eingespart oder zumindest reduziert werden könnten, wenn auf betrieblicher Ebene entsprechende Maßnahmen in Sachen Arbeitnehmerschutz konsequent umgesetzt werden würden. „Gesundbleiben bei der Arbeit ist ein Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und gehört daher geschützt. Maßnahmen zur Prävention sind oft einfach und kosten nicht die Welt“, plädierte AK-Präsident Herbert Tumpel anlässlich der Präsentation der Studie an das Verantwortungsbewusstsein von Unternehmen und Politik, um hier entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
Bereits in seinem Fehlzeitenreport 2008 berechnete das Wifo für alle Krankenstände 12,7 Mrd. Euro an direkten und indirekten betriebswirtschaftlichen Kosten und Gesundheitsausgaben pro Jahr. In der aktuellen Studie ging man einen Schritt weiter und wies nach, dass alleine sechs körperliche Arbeitsbelastungen – nämlich schwere körperliche Arbeit, die Einwirkungen von Vibrationen, die Arbeit mit gefährlichen Stoffen, die Gefahr von Arbeitsunfällen, erzwungene Körperhaltungen bei der Arbeit und die Belastung, die das Tragen von Schutzausrüstungen darstellt –
rund 23 Prozent aller Krankenstandskosten ausmachen. Und nachdem bekanntlich ein Unglück selten allein kommt, ist ein großer Teil der Arbeitnehmer gleich mehreren dieser physischen Faktoren ausgesetzt. Im Klartext: In rund 20 Prozent der Krankenstände liegen mindestens zwei der sechs Faktoren vor, in über 14 Prozent sogar mindestens vier. Psychische Arbeitsbelastungen sind hierbei noch nicht einmal berücksichtigt.
Fazit der Studie: Gezielte Maßnahmen zur Reduktion der gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Arbeitsalltag sind ein Gebot der Stunde. Schließlich liegt in der Prävention eine Voraussetzung dafür begründet, dass die voranschreitende Alterung der Erwerbsbevölkerung nicht zu einer Beeinträchtigung der Arbeitsproduktivität und Wirtschaftskraft einerseits und zu einer überproportionalen gesundheitlichen Beeinträchtigung der älteren Menschen andererseits führt. Beides nämlich ist der Volkswirtschaft nicht bekömmlich.
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