Wer glücklich ist, lächelt. Laut einer – allerdings umstrittenen – psychologischen Theorie funktioniert das aber auch umgekehrt: Man müsse nur die Mundwinkel hochziehen, und schon geht es einem besser. Eine Studie mit fast 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 19 Ländern liefert nun neue Belege für diesen Effekt, wenngleich nicht in allen Fällen.
Es klingt fast zu einfach, aber auch intuitiv nachvollziehbar: Man muss nur lächeln und schon fühlt man sich besser. Dabei handelt sich nicht um eine fernöstliche Lebensweisheit, sondern um eine psychologische Theorie. Laut der „Facial-Feedback-Hypothese“ lässt sich der Effekt sogar erzeugen, wenn man nur die Mundwinkel hochzieht, und selbst wenn die entsprechende Mimik nur durch einen Stift zustande kommt, den man zwischen die Zähne klemmt.
Dahinter steckt die Idee, dass alle menschlichen Emotionen auch körperlich verankert sind, dass etwa bei Angst das Herz schneller schlägt oder sich das Gesicht bei Zorn in Falten legt. Der Theorie zufolge lässt sich der Zusammenhang eben auch indirekt nutzen: Schon eine aufrechte Körperhaltung oder eine fröhliche Mimik können dabei helfen, die Stimmung zu verbessern und Depressionen zu lindern.
Umstrittene These
Die seit Jahrzehnten diskutierte These ist allerdings umstritten. Verstärkt haben sich die Zweifel, als 2016 17 Teams daran scheiterten, eine grundlegende Studie zum Thema zu reproduzieren, bei der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Gary-Larson-Cartoon lustiger fanden, wenn ein Stift zwischen ihren Zähnen eingeklemmt war. Der Publikation erging es also wie vielen anderen psychologischen Arbeiten, deren Ergebnisse einer erneuten Überprüfung nicht Stand hielten (Replikationskrise).
Drei Jahre später führte Nicolas A. Coles von der Stanford University dann eine Metastudie zum Thema durch, für die 137 Forschungsarbeiten mit verschiedenen statistischen Methoden neu ausgewertet wurden. Sie bestätigte den umstrittenen Effekt: Lächeln macht demnach zumindest ein bisschen glücklicher. Bis dahin betrachtete sich Coles nur als Zaungast der Debatte, heißt es nun in einer Aussendung seiner Universität. Aber dann entschloss er sich, der Sache aktiv auf den Grund zu gehen und die internationale „Many Smiles Collaboration“ ins Leben zu rufen, bei der Anhängerinnen und Kritiker der These zusammenarbeiten.
Neue Überprüfung
Für die soeben im Fachmagazin „Nature Human Behaviour“ erschienene Studie hat das Konsortium nun drei verschiedene etablierte Techniken getestet, um die Gesichter von fast 3.900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 19 Ländern zum Lächeln zu bringen: Ein Drittel musste einen Stift zwischen die Zähne klemmen, ein weiteres Drittel sollte den Gesichtsausdruck von auf Fotos abgebildeten Schauspielern und Schauspielerinnen imitieren, der Rest erhielt die Anweisung, die Mundwinkel in Richtung Ohren und die Wangen mit den Gesichtsmuskeln hochzuziehen.
Die Hälfte jeder Gruppe sah währenddessen aufheiternde Bilder von Hundewelpen, Kätzchen, Blumen oder Feuerwerken. Die andere Hälfte sah einen leeren Bildschirm. Den jeweils selben Anblick gab es dann noch einmal, während alle eine neutrale Mimik annehmen sollten. Am Ende der Experimente wurde das subjektive Glücksempfinden abgefragt. Um das eigentliche Ziel der Tests zu verschleiern, mussten die Probandinnen und Probanden zwischendurch kleine Handgriffe durchführen oder einfache Matheaufgaben lösen. Dennoch mussten die Forscherinnen und Forscher relativ viele Personen wieder ausschließen, weil sie sich der zu untersuchenden Hypothese bewusst waren.
Schwacher Effekt
Laut der anschließenden Analyse gab es in zwei der drei Gruppen messbare Anstiege beim Glücksempfinden, aber wie in der Replikationsstudie von 2016 ließ sich kaum eine Stimmungsänderung feststellen, wenn die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einen Stift zwischen den Zähnen hatten. Coles liefert dafür nun eine mögliche Erklärung. „Das Einklemmen eines Stifts dürfte nicht wirklich einen Gesichtsausdruck erzeugen, der einem Lächeln ähnelt. Das Zusammenpressen der Zähne könnte ein Störfaktor sein“, erklärt er in einer Aussendung.
Interessanterweise zeigte sich der Effekt des erzwungenen Lächelns in den anderen zwei Versuchsanordnungen unabhängig davon, ob die Probanden und Probandinnen heitere Bilder gesehen hatten oder nicht. Außerdem dürfte die mimische Übung tatsächlich positive Gefühle auslösen und nicht nur bestehende verstärken.
Insgesamt waren die Effekte aber relativ gering, heißt es in der Studie. Das spreche für Theorien, wonach das mimische Feedback nur eine von vielen Komponenten ist, die zu unserem emotionalen Erleben beitragen. Der schwache Effekt lasse zudem nicht erwarten, dass gezielte psychologische Interventionen – wie etwa ein morgendliches Lächeln in den Spiegel – besonders wirksam sind und beispielsweise nachhaltig die Stimmung heben oder Depressionen lindern könnten.